Gallus Theater Programm: mit Freiheit - so nah, so fern

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Freiheit - so nah, so fern

Natzweiler-Ausstellung 

Ausstellung

Gedenkstätte KZ-Natzweiler

»Freiheit - so nah, so fern«

Dienstag, 17.3.15 - 19:00 frei

Die KZ-Außenstelle Katzbach in den Adlerwerken war Teil eines Systems von KZ Arbeitslagern der Hauptverwaltung Natzweiler-Struthof. Eine deutsch-französische Ausstellung zum 70. Jahrestag der Befreiung zeigt die Zusammenhänge mit Karten, Texten und persönlichen Schicksalen von Deportierten aus ganz Europa. Zur Eröffnung spricht Kuratorin Dorothee Roos, mit einem Grußwort von Pierre Monnet (Institut Francais d'Histoire).

Das Projekt »Freiheit - so nah, so fern. Das doppelte Ende des Konzentrationslagers Natzweiler« wird vom Centre Européen du Résistant Déporté, der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof im Elsass, den Gedenkstätten der Außenlager im Bundesland Baden-Württemberg sowie der Landeszentrale für politische Bildung getragen. Die Ausstellung von hoher Symbolkraft wurde von einem deutsch-französischen Ausstellungsteam erarbeitet und von beiden Ländern finanziert. Sie hat ein wenig bekanntes Kapitel der gemeinsamen Geschichte zum Thema: das ebenso leidvolle wie ungewöhnliche Ende des Konzentrationslagers Natzweiler. Unter dem Druck des Vormarschs der Alliierten evakuierten die nationalsozialistischen Machthaber ab September 1944 das Hauptlager Natzweiler und seine linksrheinischen Außenlager. Mit allen Häftlingen wird das »Konzentrationslager Natzweiler« unter Beibehaltung des Ortsnamens komplett auf die andere Rheinseite verlagert und koordiniert von dort aus z.B. den Aufbau des Außenlagers Katzbach. Erst im April 1945 hört es auf zu funktionieren - was noch Tausende Opfer kostet.

Die Ausstellung ist geöffnet Mo bis Fr von 11.00-18.00 Uhr und zu den Theaterveranstaltungen bis 29. März. Am 24.3. um 19 Uhr findet die Gedenkveranstaltung »Katzbach - der Erinnerungsort« zur Auflösung des KZ Katzbach im Gallus Theater statt.

Historischer Hintergrund:

Das Jahr 1944 ist für die Befreiung Europas vom Joch der NS-Diktatur von entscheidender Bedeutung. Die Landungen der Alliierten in der Normandie und in Südfrankreich sowie die Offensiven der Roten Armee im Osten rücken das Kriegsende und damit die Freiheit in scheinbar greifbare Nähe. Vor diesem Hintergrund beginnt im September 1944 das letzte Kapitel in der Geschichte des Konzentrationslagers Natzweiler. Gegründet im Frühjahr 1941 an einer Fundstelle von rosa Granit in den Vogesen im annektierten Elsass, ist dieses Lager zum großen Teil mit politischen Häftlingen aus den europäischen Widerstandsbewegungen belegt worden. Die Männer werden zunächst im Steinbruch zu härtester Arbeit eingesetzt. Doch die Qualität des Granits erweist sich als ebenso brüchig wie die Siegesserie Nazideutschlands. Die Arbeitskraft der Häftlinge wird dann zunehmend auch in der Rüstungsindustrie ausgebeutet. In den ab 1943 zahlreich entstehenden Außenlagern direkt an Produktionsstandorten auf beiden Seiten des Rheins schuften Tausende von Gefangenen aus allen europäischen Ländern für die Kriegswirtschaft des Dritten Reiches.

Das langsam voranschreitende Ende des Lagerskomplexes Natzweiler-Struthof kann in zwei Phasen unterteilt werden. Zunächst werden im Zuge des Vormarschs der Alliierten die Lager links des Rheins aufgelöst, das "Lager Natzweiler" wird insgesamt nach Osten über den Rhein verschoben. Dabei ist der Name ab diesem Zeitpunkt gleichsam mit Anführungszeichen zu lesen, da Natzweiler-Struthof als geografischer Ort längst im von den Alliierten befreiten Gebiet liegt. Die Häftlinge, die sich Ende August 1944 im Hauptlager befinden, werden fast alle in den ersten Septembertagen des Jahres 1944 nach Dachau transportiert. Die Kommandantur hingegen verbleibt zunächst im nahe dem Lager gelegenen Hotel Struthof, im November wird sie in die badischen Neckardörfer Guttenbach und Binau verlagert. Der Kommandant Fritz Hartjenstein und sein Verwaltungsstab reorganisieren den nur noch aus Außenlagern bestehenden Komplex; die Kommandantur arbeitet noch monatelang in gewohnter Effizienz. Mit dem Jahreswechsel 1944/1945 zeigen auch die Lager auf der rechten Rheinseite Auflösungserscheinungen. Spätestens nachdem die Alliierten am 22./23. März bei Oppenheim südlich von Mainz den Rhein überschreiten und rasch nach Norden Richtung Frankfurt und Süden Richtung Baden und Württemberg vorstoßen, beginnt die Zeit der Evakuierungen und Todesmärsche. Das Lager Katzbach wurde am 24. März aufgelöst.

Die Ausstellung wird sowohl als Dauerausstellung im Centre Européen du Résistant Déporté an der Gedenkstätte des ehemaligen Lagers Natzweiler-Struthof gezeigt, als auch als Wanderausstellung - in vier Versionen - meist in Standorten ehemaliger Außenlager. Die Ausstellung ist zweisprachig deutsch und französisch konzipiert. Die beiden Ausstellungstitel unterscheiden sich dabei in ihrem Charakter. Der französische Titel »Bientot la liberte nous reviendra« der Ausstellung lässt vorsichtige Hoffnung anklingen: er zitiert einen Satz aus dem Lied "La voix du rêve", das der Natzweiler Häftling Arthur Poitevin am 19. Januar 1944 komponiert hat. Sein Lied fasst den kollektiven Willen zum Überleben in Worte. Der deutsche Titel »Freiheit - so nah, so fern« drückt hingegen eher ein Gefühl der Enttäuschung aus. Denn die Häftlinge, die im Herbst 1944 die Befreiung zum Greifen nah wissen, müssen über den Rhein nach Osten ziehen - was die Freiheit in weite, fast unerreichbare Ferne rückt. Beide Titel zusammengenommen lassen in ihrer Spannung etwas von der emotionalen Ambivalenz der letzten Monate vor der Befreiung ahnen.

Die Geschichte des Schlusskapitels der Geschichte von Natzweiler und seinen Außenlagern weist eine besondere Dynamik in Raum und Zeit auf, der die Ausstellung Rechnung trägt. Zur geografischen Orientierung und zum Kennenlernen des komplexen räumlichen Netzwerks der Orte dienen die zahlreichen Karten; die erläuternden Texte liefern einen zeitlichen roten Faden. Persönliche Schicksale zeigen die quälende Ungewissheit des langsamen "doppelten Endes". Zehn Biografien sind in die Ausstellung eingearbeitet und zeigen das breite Spektrum der Lebenswege, der Haftgründe und der individuellen Schicksale der Gefangenen, die aus ganz Europa kommen.