Gallus Theater Programm: Theater Skyline mit Aussetzer

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Aussetzer



Theater Skyline

»Aussetzer«

von Lutz Hübner

Donnerstag, 22.04.10 - 11:00 Eur 6
ab 7. Klassen und Erwachsene
Vormittagsvorstellungen nur mit Voranmeldung, Dauer: 80 Minuten

Chris steht kurz vor dem Hauptschulabschluss. Der wackelt. Er wird den Abschluss nicht schaffen, wenn er nicht eine Drei im Fach von Frau Stöhr bekommt. Seine Eltern machen ihm tierischen Druck zu Hause. Vielleicht geht's ja, wenn er die neue, junge und engagierte Lehrerin überreden kann, in ihrem Fach ein Auge zuzudrücken. Der Plan geht schief, die Situation eskaliert. Chris schlägt zu. Chris ist darüber erschüttert, was er getan hat; Frau Stöhr darüber, was ihr angetan wurde. Beide denken über die Konsequenzen nach. Frau Stöhr verzichtet auf die Krankschreibung und eine Beschwerde beim Direktor. Sie weiß, dass es das Ende von Chris Schullaufbahn wäre und will mit dieser Schuld nicht leben. Zudem hat sie Angst, dass er zu noch härteren Mitteln greifen könnte und sie keine Ruhe mehr findet. Stattdessen bietet sie Chris persönlichen Nachhilfeunterricht an, sie treffen sich in einem Café. Chris ist verwirrt über dieses Angebot, denkt über die Beweggründe seiner Lehrerin nach, vermutet sogar sexuelle Motive. Kurzzeitig scheint eine Annäherung möglich. Frau Stöhr gibt Chris in der nächsten Klassenarbeit eine Drei. Die Hälfte seiner Fehler hat sie nicht angestrichen. Chris fühlt sich betrogen. Der Deal, über den tätlichen Angriff und die Nachhilfe zu schweigen, kann nicht funktionieren.

Lutz Hübner erzählt in seinem Stück von zwei Menschen, die sich im System Schule komplett überfordert fühlen und auf Druck nur mit Gegendruck reagieren können.

Kaum ein Tag vergeht, an welchem man nicht in den Nachrichten Berichte über gewaltbereite Jugendliche findet. Das jüngste Beispiel dürfte hierbei der Amoklauf von Winnenden sein.

Die Suche nach den Ursachen, warum Jugendliche immer schneller und scheinbar ohne nachzudenken zu Gewalt neigen, ist ebenso komplex wie schwierig. Wer ist Schuld? Das System, die Eltern, die Lehrer, die Globalisierung, die Jugendlichen selbst?

Das Theater Skyline hat nach »Creeps« - ebenfalls von Lutz Hübner- und »Crash-Kids« von Marcus Romer im vergangenen Jahr dieses Stück bei uns herausgebracht.

»Regisseurin Edda Klepp lässt keinen Zweifel: Dass Chris schlägt und tritt, ist mehr als ein »Aussetzer«. Klepp folgt dem Autor Lutz Hübner, der Gedankenwelten, Emotionen und Lebenswelten schlaglichtartig beleuchtet, ohne Partei zu ergreifen. Statt dessen sieht man, wie der Konflikt entsteht und eskaliert, die Grenzen zwischen Täter und Opfer immer wieder verwischen. Auf einem Quadrat, das an einen Boxring erinnert, begegnen sich in dieser Inszenierung Schüler und Lehrerin. Und sind offenbar trotz aller Bemühungen zur Gegnerschaft verdammt. Kathrin-Marén Enders und Umberto De Bernardo zeigen zwei, aus unterschiedlichen Gründen verletzte, verwirrte Menschen, die aus jeweils sehr unterschiedlichen Positionen und Funktionen versuchen, die Situation unter Kontrolle zu bekommen und doch immer wieder fatalen Fehleinschätzungen erliegen. De Bernardo gibt Chris als großen Jungen, der mal kurz in Zorn und Verzweiflung auf die Knie sinkt, der durch ein familiäres Umfeld gebeutelt ist und sich ohnehin als Verlierer sieht, der nichts mehr zu verlieren hat. Kathrin- Marén Enders presst ihrer Lehrerin zwischen fast idealistischer Naivität und Autorität stets im falschen Moment etwas zu harsche Töne ab und zeigt eine von ihren eigenen Ansprüchen Überforderte. Eine spannende Inszenierung, die den Zuschauer mit vielen Fragen entlässt. Und dem Wunsch, dass es einen Vermittler gegeben hätte, dem beide wirklich vertraut hätten. Doch genau der fehlt. Leider auch meist im wirklichen Leben.« ( FNP)

»Die Inszenierung von Edda Klepp betont die Gleichheit der ungleichen Figuren mit dem wechselseitigen Einsatz der statuarisch ihr Innerstes offenbarenden Parteien, bevor sie wieder in den verbalen Kampf geschickt werden... Umberto de Bernado und Kathrin-Maren Enders haben sich nicht nur mit Szenejargon oder Kommandoformeln ihren jeweiligen Umfeldern anverwandelt, sie schaffen auch den authentischen Ausdruck für all die Verlegenheiten, Ängste und Nöte, die in ihrer Situation auch bei weniger dramatischen Voraussetzungen fällig sind.« (FAZ)

Mit: Kathrin-Marén Enders (Frau Stöhr) und Umberto de Bernardo (Chris)
Regie: Edda Klepp
Fotos: Florian Adolph (Aussenfoto), Edda Klepp (Bühnenfotos)